Der farbige Herr Blass

Da war Domenico Blass als Drehbuchautor, Pointenlieferant oder Coach gefordert – im Uhrzeigersinn von oben links: Im Musical «Io senza te», bei «Ernstfall in Havanna», beim Auftritt von Helga Schneider im Circus Knie, in der Sitcom «Schöni Uussichte».

 

Rolf App

Mit fünf hat Domenico Blass sein erstes Buch geschrieben, «Papperlapapp und die Räuber». Es war ein Thriller, mehr weiss er nicht mehr. «Ich kenne das nur aus den Erzählungen meiner Eltern.» Konkreter ist die Erinnerung an die «Muppet Show». Zu sportlichen Grossanlässen hat der Vater einen Fernseher gemietet, und da läuft auch diese erfolgreiche Puppen- und Comedy-Serie. Domenico, damals elf oder zwölf Jahre alt, muss das unbedingt nachmachen, mit selbstgeschriebenen Sketches, in Kostümen der Mutter und Requisiten des Bruders. Eintritt zwanzig Rappen. Zusammen mit zwei Freunden, von denen der eine – Jörg Kalt – später Regisseur wird und der andere – Alexandre Pelichet – Schauspieler. «Irgendwie hat es da bei uns dreien Klick gemacht.»

Andere sind Künstler, er aber ist der Handwerker

Womit Domenico Blass damals begonnen hat, mit den Sketches zur eigenen «Muppet Show», das tut er bis heute. Schreiben, das ist seit dreissig Jahren sein Metier, und zwar alles, in dem irgendwie Humor steckt. Bühnenprogramme, Drehbücher, Musicals, Präsentationen – keine Form, die der 51-Jährige noch nicht erprobt hätte, und es wird immer mehr. Er gibt auch oft Rat, coacht Kabarettisten, wenn sie an ihren Programmen arbeiten. In der kleinen Schweiz kennt halt fast jeder in der Comedy-Szene den Domenico. Man weiss, wie er arbeitet: zuverlässig wie eine Uhr, gut abgestimmt auf den jeweiligen Partner. «Ich bin eine hochdisziplinierte Schreib-Maschine», sagt er von sich selbst. Künstler sollen die andern sein, er ist der Handwerker.

Eine Uralt-Beziehung zu Viktor Giacobbo

Er ist ein Handwerker, dessen Name bestenfalls am Anfang oder Ende kurz vorüberzieht über den Bildschirm oder der im unteren Teil des Programmzettels zu finden ist. Oder auch gar nicht, wenn er als Ghostwriter arbeitet. Ob ihn das stört? «Oh nein», sagt er. Lieber sitzt er im Publikum, genau beobachtend, wo es wie reagiert – und daraus seine Schlüsse ziehend. Denn: Humor, das ist auch eine hochpräzise Kunst. Ob jene Pointen sitzen, die Blass zu «Giacobbo/Müller in Therapie» beigesteuert hat, jener theatralen Aufarbeitung von neun Jahren «Giacobbo/Müller» am Fernsehen – mit Domenico Blass als sogenanntem Head­writer, der Ideen sammelte und kanalisierte? Man wird sehen.

Es ist eine Uralt-Beziehung, welche die drei verbindet. Immer, wenn Viktor Giacobbo und Mike Müller gemeinsam etwas aushecken, denken sie ganz automatisch an Blass. «Das hat etwas Rührendes», sagt er, «ich gehöre ganz natürlich dazu.» Beruflich hat der Film «Ernstfall in Havanna» Giacobbo und Domenico Blass im Jahr 2002 zusammengebracht. Getrieben von seinem Schreibbedürfnis, hat Blass zunächst in der Werbung gutes Geld verdient. Doch statt es für Kokain, Porsches oder Frauen auszugeben, hat er sich Zeit gekauft zum Schreiben von Drehbüchern, für die am Anfang keiner etwas bezahlen wollte.

Dann hat er seinen Sinn für Humor bei Roger Schawinskis Magazin «Bonus» weitergeschärft und für einen Text Viktor Giacobbo kennen gelernt. So ist eine Freundschaft entstanden, die noch vor «Ernstfall in Havanna» (und später dann den Filmen «Undercover» und «Der grosse Kanton») zeigte: Auch in der Arbeit harmonieren sie gut.

Die gemeinsame Wellenlänge – das ist das Wichtigste. Domenico Blass arbeitet mit Fabian Unteregger und mit Helga Schneider, die gerade mit dem Circus Knie auf Tournee ist, er arbeitet mit Stefan Büsser. Und jedes Mal ist seine Rolle eine andere. Er arbeitet auch mit Christa Rigozzi, die er bei «Giacobbo/Müller» kennen gelernt hat. Sein Vater hat Italienisch und Französisch unterrichtet, die Familie hat ein Haus im Misox, deshalb redet Domenico Blass «wahnsinnig gern Italienisch».

Rasch haben sie gespürt, dass sie einen guten Draht zueinander haben. Vom Vater hat Domenico Blass nicht nur die Italienischkenntnisse. Von ihm hat er vor allem den Humor. «Bei uns zu Hause ist immer viel gelacht worden. In der Schule war der Vater Lehrer und Entertainer. Und er gehört einer Zunft an – wo, leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Humor besonders gepflegt wird. Dort lernt man, wie man andere piesackt – und ihnen damit sagt, dass man sie mag.»

Ein Ventil in vielen Lebenslagen

Humor, das ist für Domenico Blass ein Ventil in vielen Lebenslagen, und er gibt das jetzt weiter an seine drei Kinder, die, mittlerweile junge Erwachsene geworden, «ganz gut zurückgeben können. Ich bin manchmal sprachlos.» So ist dem Humorproduzenten Domenico Blass das Lachen nicht vergangen, bei aller Arbeit, die er sich manchmal auch vom Hals halten muss. «Ja, ich muss aufpassen», sagt er, plötzlich nachdenklich. Übers Smartphone kann er in jeder Lebenslage arbeiten, im Kopf tut sich sowieso fast pausenlos etwas. Da werden Pointen zugespitzt und Ideen ausgebrütet. Eine davon hat er, bevor wir uns getroffen haben, der künst­lerischen Leiterin des Casino­theaters nähergebracht. Mag sein, dass daraus etwas wird.

Erschienen am 5. April 2018 im St. Galler Tagblatt.

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