Menschen

Nicht ohne seinen Palm

Der Autor Domenico Blass ist stets in Verbindung mit sich selber – und dem Logo seiner Sitcom “Schöni Uussichte”.

Daniele Muscionico

Domenico Blass kann kein Schweizer sein, denn Domenico Blass ist ein Profi. Und das heisst: Er wartet nicht, bis jemand etwas für ihn tut, er tut es selber. Der Vollblut-Zürcher – aus erblichen Gründen ist er Mitglied einer Zunft, und das mitnichten passiv – verschickt Newsletter an all jene, die wissen wollen, wie’s ihm läuft, wenn’s ihm läuft. Doch Blass organisiert nicht nur seine Freunde, sondern wie gesagt auch sich selber: Ungefragt liegt auf unserem Kaffeetisch urplötzlich das Werbematerial zum Neusten aus der blass’schen Schreibwerkstatt. Und das wäre in der Reihenfolge, wie wir es in unsere Agenda notieren sollen: Am Sonntag, 22. Januar, wird Sandra Studer am Familienkonzert des Sinfonieorchesters Basel im Stadtcasino Basel einen Text von ihm lesen (“Der Zauberladen”). Am selben Abend, nun im Landesmuseum in Zürich, wird Blass mit wahren Märchen selber lesend zugange sein; und am 25. Januar, wiederum in Zürich, im “Kaufleuten”, wird die am Casinotheater erfolgreiche “Haushaltrevue” mit Lea Hadorn in die nächste Runde gehen. Texte: Domenico Blass.
Im Übrigen liegen auf seinem Schreibtisch verschiedene Exposés für deutsche Produktionsfirmen – allesamt Komödien. Denn Blass, seit fast immer freier Autor mit Schwerpunkt Sitcom, Komödie und Satire, ist verantwortlich für einen der grössten Schweizer Kinoerfolge der letzten zwanzig Jahre (mindestens): “Ernstfall in Havanna”. Dass er, ganz nebenbei (neben “Undercover” z. B.), auch die neuste Sitcom des Schweizer Fernsehens verantwortet, “Schöni Uussichte”, ist folgerichtig: Una mano wäscht die andere.
Dabei ist der Erfolgsautor der Letzte, der öffentlich über seine Erfolge spricht. Viel lieber erklärt er allen, die es wissen wollen (und den anderen sowieso), die Liebe zu seinem Palm. Blass ist ein bekennender “Gerätli-Freak”. Und der Diminutiv in dieser Wendung ist derart schlecht gewählt, dass er eigentlich nicht von einem der anerkannt treffsichersten Drehbuchschreiber dieses Landes stammen kann. Domenico Blass‘ Liebe zum digitalen Lifestyle, vor allem zu den Life-Drive-Mobile-Managern, ist grenzenlos.
Sein Palm, erklärtermassen sein bester Freund und sein externes Hirn, verwaltet ihn rund um die Uhr. Am Morgen wird er von ihm mit Musik geweckt, die Internet-Nachrichten haben bereits eine überlebenswichtige Selektion getroffen – Wetter, neuste Filme, das persönliche TV-Programm, ein Pressespiegel mit auf seinen Leseappetit abgestimmten Artikeln –, und wenn Domenico Blass seine Kinder hören will, kann er ihre abgespeicherten Sätze vom Palm herunterladen. Und natürlich hat er, wenn er will, nicht nur Tag und Nacht die gesammelte Hundertschaft der eigenen Buch- und Filmideen vor Augen, sondern auch das Logo und den Vorspann von “Schöni Uussichte”.
So organisiert und verwaltet, ist Domenico Blass ein glücklicher Mensch. Das behauptet er nicht und würde er nie behaupten. Doch ist es nicht schön, von sich sagen zu können: “Ich brauche nur meinen Palm und meine Familie, dann habe ich alles dabei”? Dass er ein heimlicher “Kontrollfreak” ist (und das mit seinem Freund Viktor Giacobbo teilt), das braucht ja niemand zu wissen.

Genial daneben

Berufliche Situation: Allein gegen die Mafia.
Wohntyp: Eine schrecklich nette Familie. Wohnhaft in Zürich.
Beziehungsverhalten: Ein Fall für zwei. Wenn man die Kinder dazuzählt, dann ist es ein Fall für fünf.
Genussorientierung: Sex and the City. Zürich-fixiert.
Mobilitätskonzept: Fest im Sattel. Weitgehend unfallfrei.
Freizeitgestaltung: Baywatch an Binnengewässern.
Projekte: Schöne Aussichten. Die technologische Avantgarde voranzutreiben.

22. Januar 2006

Ganzer Artikel als PDF: „NZZ am Sonntag“ (2006)