Das schrieb Roy P. Spring in seiner Biographie von Roger Schawinski, erschienen 1999 im Zürcher Weltwoche-ABC-Verlag, über das Kapitel Bonus:

Kapitel 16

Wehe dem, der den Elfenbeinturm verlässt!

Warum der Big Boss für einige seiner Mitarbeiter ein Halbgott ist

“Was, dich gibt’s wirklich?” Wie oft hat Domenico Blass diesen Satz schon gehört! Noch heute wird er von Leuten angesprochen, die seinen Namen für ein Pseudonym von Roger Schawinski halten. Dabei geht er längst seinen eigenen Weg – zur Zeit schreibt er an einem Drehbuch fürs Schweizer Fernsehen.

Seinen Einstieg in den Journalismus wird er jedoch sein Leben lang Schawinski zu verdanken haben. “Wir konnten wüten, alles ausprobieren”, erinnert sich Domenico Blass, der 1989 als 23jähriger zur Bonus-Truppe stiess und mit aufopferndem Einsatz dafür sorgte, dass aus dem früheren PR-Heftli Info 24 ein aufmüpfiges Stadtmagazin mit ausserordentlich hohem Bekanntheitsgrad (gemäss Publitest über 55 Prozent bei den 15- bis 44jährigen im Raum Zürich) wurde.

“Klar, Roger hatte immer das letzte Wort”, räumt er ein, “für mich ist er ein absoluter Leadertyp und hat etwas Guruhaftes.” Doch innert kürzester Zeit habe er unheimlich viel Verantwortung gehabt und plötzlich gemerkt: “Wenn ich die Arbeit nicht mache, macht sie niemand.” Effekt: “Ich habe nächtelang durchgearbeitet und dabei wahnsinnig viel gelernt.”

Bald begannen “Schawis Buben” – wie sie von bösen Zungen gescholten wurden – über Zürichs Prominenz herzuziehen. Zu den ersten Zielscheiben gehörte Züri-Woche-Chefredaktor Karl Lüönd, dargestellt als blutrünstiger “Wilderer von Zürich” mit seinem Lieblingsopfer Ursula Koch als erlegte Häsin. Der Autoimporteur und SVP-Nationalrat Walter Frey (“Geboren auf der Autobahn”) wurde mit Nuggi und Strampelhose im Spielzeugauto abgebildet; der “Geld-Gärtner” Werner H. Spross als Dagobert Duck. Die Geschichte über den SVP-Politiker Ueli Maurer (“Wir basteln uns einen Regierungsrat”) habe er “sieben Mal umgeschrieben, bis sie der Chef absegnete”.

Wie er es bloss bei diesem Amokläufer aushalte, sei Domenico Blass immer wieder gefragt worden. Doch genau das Gegenteil sei der Fall: “Bei Roger hast du immer Rückenwind. Er pusht dich, klopft dir auf die Schultern und gibt dir das Gefühl, du bist der Beste und alle anderen haben keine Ahnung!” Wie gefährlich diese Selbstüberschätzung sein könne, merke man erst beim Verlassen des Elfenbeinturms. “Auf einmal bläst dir der kalte Wind entgegen.” Kein Wunder, so Blass, “kehren so viele nach kurzer Zeit wieder in seinen Schoss zurück”.

Beflügelt von Schawinskis ewigem “You can get it if you really want” bewarb sich Domenico Blass beim renommierten Informationsmagazin 10 vor 10 des Schweizer Fernsehens, und tatsächlich wurde er von Chefredaktor Jürg Wildberger aufgenommen.

Mit breitem Grinsen kam Wildberger nach der ersten Woche auf Blass zu: “Der Direktor will dich sprechen!”

Mit weichen Knien und leichenblass schlurfte Blass ins Büro des Mannes, den er “so gottsjämmerlich in die Pfanne gehauen” hatte. Vor seiner Türe gab er sich einen Ruck, klopfte an und trat ein in die Höhle des Löwen.

Kalt musterte ihn der Boss von oben bis unten. Mit gesenkter, bedeutungsschwerer Stimme legte er los: “Es gibt genau drei Leute, die bei mir niemals arbeiten dürfen.” Lange Pause, kalter Schweiss. “Sie gehören nicht dazu.” – “Aber”, so fuhr er langsam fort, “Sie haben nicht die geringste Ahnung, wie man ein gutes Porträt schreibt.” Diese Gabe sei einzig und allein dem Journalisten Niklaus Meienberg vorbehalten.

Jetzt aber wolle er fünf gerade sein lassen und dass man sich gegenseitig wieder in die Augen schauen könne. “Damit ist diese Angelegenheit für mich erledigt!”